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Über Schreiben

Schreiben ist Handwerk.
Mit drei Wörtern kann man viel erreichen – und viel kaputtmachen. „Ich liebe Dich“ kann, unter den richtigen Umständen, die Grundlage für viele glückliche Tage (und möglicherweise eine Einkommensquelle in Form von Kindergeld) sein. „Mach Du das“ kann klare Machtstrukturen, zum Beispiel in einer Ehe, ausdrücken (oder, ganz profan, Vertrauen).
„Schreiben ist Handwerk“ ist meine Überzeugung zum Thema „Schreiben“. Ich bin kein Anhänger von luftigen Glaubensbekenntnissen wie „Jeder kann schreiben“ oder „Schreiben ist 1% Inspiration und 99% Transpiration“. Solche Sprüche sind Wortmaterial für gut bezahlte Workshops, aber keine Aussagen. Ich glaube durchaus, dass jeder, der einer Sprache ausreichend mächtig ist, um sich verständlich und plausibel auszudrücken, so zu schreiben lernen kann, dass seine Texte für Leser einen Wert haben, der über die reine Informationsweitergabe hinausgeht.

Ist das schon Kunst?
Man kann das Kunst nennen – das, was über die Information hinausgeht. Ich mag den (deutschen) Kunstbegriff aber nicht, weil er mir zu oft dazu missbraucht wird, Dinge zu beschreiben, die sinnlos, emotionslos, wertlos oder ganz allgemein Mist sind, einfach, weil sie von „Künstlern“ verbockt wurden, in diese speziellen Fällen also von Menschen, die nichts gelernt haben, nichts lernen wollen, aber Bewunderung dafür erwarten, dass sie etwas produzieren können, das niemand braucht. Oder will. Oder auch nur zu ertragen bereit ist. Ich bitte zu beachten, dass ich nicht „Kunst“ mit „Mist“ oder „Künstler“ mit „Betrüger“ gleichsetze, mehr dazu an anderer Stelle (Link folgt).
Sprache ist, für mich, DAS Medium zur Weitergabe von Information. Ein Bild kann Informationen vermitteln, aber Sprache kann erklären, kann deutlich machen, den Leser (oder Hörer) anleiten, führen und absichern. Gut genutzte Sprache kann Missverständnisse vermeiden, kann gleichzeitig informieren und unterhalten, Emotionen wecken oder steuern. Geschriebene Sprache ist – oder sollte es sein – verdichtet, auf den Punkt gebracht, „Sprache in Perfektion“. Perfektion kann man vermutlich nie erreichen, aber danach streben kann und sollte man. Während das tägliche Gespräch Ungenauigkeiten (Lässlichkeiten) erlaubt, im Telefonat oder im Seminar der direkte Kontakt und die Rückmeldungen helfen, Missverständnisse zu vermeiden, muss geschriebene Sprache so „gut“ sein, dass eben nichts schiefgeht.
Das kann man lernen. Dazu muss man nicht geboren sein, man muss nur die Sprache lieben, in der man schreiben will – und zum Arbeiten daran bereit sein.
Das heißt nicht, dass es genügt, mal eben schnell ein Buch zu schreiben. Arbeit definiert sich nicht dadurch, dass ein Vorgang länger als ein paar Minuten dauert.

Sprache ist mehr
Es steht schon oben: Sprache kann (und soll) emotional sein. Sprache kann Spaß machen und sein. Kommunikationstheoretiker sagen gerne, dass „etwas Redundanz nötig ist, um Information sicher zu verpacken“. Das ist mir sehr sympathisch, ich stelle ja fest, dass ich besser lerne, wenn mir das Lernen Spaß macht – dass ich Informationen leichter aufnehme, wenn ich dabei ein gutes Gefühl habe.
Vielleicht ist das die Kunst des Schreibens: Die Balance zwischen dem Erzählten und dem Erzählen zu finden. Der eine Autor hat es vielleicht im Gefühl, es fällt ihm „leicht“ (Schreiben ohne Arbeit kann ich mir nicht als produktiv vorstellen), der andere Autor werkelt an jedem Satz Ewigkeiten herum.
Eben diese Balance zu finden macht für mich den Reiz am Schreiben aus; für einen guten Text arbeite ich gerne stunden-, tage- und wochenlang. Das heißt, dass Texte überarbeitet werden müssen, neu geschrieben und sehr oft einfach verworfen gehören.
Und das gilt auch für diesen Text. Versprochen.

Schreiben ist Handwerk
Es gibt keinen Meisterbrief für Autoren, es gibt keine Garantie, dass aus langer Arbeit an einem Text etwas Lesenswertes entsteht. Zwar nehmen manche Berufsgruppen für sich in Anspruch, meisterhaft mit (Schrift-)Sprache umzugehen, allzu oft wird der einzelne Gruppenangehörige diesem Anspruch nicht gerade gerecht (erwähnte ich mein Problem mit dem deutschen „Kunst“-Begriff?).
Bei einem Tischler, um ein abgegriffenes Schreib-Workshop-Bild aufzugreifen, der einen wackelnden, zerbrechlichen, unbequemen Stuhl, der hässlich aussieht und völlig überteuert ist, mit der Begründung verkauft, dass er (der Tischler, nicht der Stuhl) schließlich Profi sei und sein Produkt deshalb seinen Preis wert, bei einem solchen Tischler kauft man höchstens einmal ein. Schriftsteller darf sich aber jeder nennen, der etwas mehr als einen Namenszug zu Papier bringen kann, Autor und gar Journalist schimpfen sich fast ebenso viele Menschen wie es „Künstler“ gibt.
Ich lese lieber einen Text von einem Schreiber, der weder Journalist, noch Autor (im allgemeinen, nicht auf den Text bezogenen, konkreten Sinn), noch „freischaffender Schriftstellungskünstler“ ist, mir aber etwas zu sagen hat. Und das auch tut. Auf den Punkt und mit Witz (nicht zwingend mit „Haha“).
Meine Texte sollen so sein. Daran arbeite ich – ab und zu erfolgreich, immer aber ernsthaft bemüht.
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